Das Opfer, der 70-jährige Rentner, mit seinem Anwalt
Blinden Bautzener niedergestochen - Afghane räumt Tat ein
Vor dem Landgericht Görlitz hat heute der Prozess gegen einen Afghanen begonnen. Er soll seinen blinden Nachbarn niedergestochen haben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten versuchten Totschlag vor. Es könnte auch versuchter Mord aus Heimtücke infrage kommen, erklärte der Vorsitzende Richter Theo Dahm nach Sichtung der Ermittlungsakte.
Der Angeklagte gestand zu Prozessbeginn die Tat. Er habe sich von seinem Nachbarn veralbert gefühlt. Der 70-jährige Bautzener hatte ihm eine Arbeit in einer Monteurfirma in Bischofswerda vermittelt, 40 Stunden die Woche. Das war angeblich die Bedingung, dass der 23-Jährige einen Aufenthaltstitel in Deutschland bekommt, also nicht abgeschoben wird. Der Angeklagte hatte Schulden, u.a. bei seinem Vermieter und der Krankenkasse. Sein neuer Chef habe deshalb einen Großteil des Lohnes den Gläubigern gezahlt und ihm nur 50 Euro die Woche ausgezahlt, schilderte der Nachbar. Auch bei ihm hatte der Angeklagte Schulden. Sie summierten sich auf 4.000 Euro. Der Bautzener gab ihm Taschengeld, finanzierte einen Lehrgang und die Fahrschule. „Ich wollte ihm helfen, dass er in Deutschland auf die Beine kommt. Er hat mir leid getan." Das geliehene Geld wollte er zurück, betrachtete es als Darlehen.
Die Tat könne er sich nicht erklären. Ab und zu habe der Angeklagte ihn besucht, so auch an jenem 12. September vergangenen Jahres. Der Bautzener öffnete ohne Argwohn, hörte ihn durch den Flur laufen, während er auf der Couch im Wohnzimmer saß. Unvermittelt habe er angekündigt: „Ich muss dich jetzt töten“. Dann spürte der Blinde einen Schlag und noch einen. Es waren insgesamt vier Messerstiche, wie später Ärzte feststellten. Einer ging durch die Lunge bis zum Herz. Eine Woche lag der Rentner auf der Intensivstation. Nur durch die schnelle medizinische Versorgung konnte der Bautzener gerettet werden. Er wählte mit letzter Kraft den Notruf, während der Angeklagte zur Polizei lief und sich stellte.
Er sei nicht Herr seiner Sinne gewesen, verteidigte sich der Afghane mit dem kindlichen Gesicht. Er habe seinen Nachbarn bestrafen, ihn verletzen wollen, nicht aber töten. An Einzelheiten der Tat könne er sich aber nicht mehr erinnern. Der Afghane kam Ende 2015 nach Deutschland. In Bautzen arbeitete er zunächst bei McDonalds. Er zog in ein Mehrfamilienhaus an der Löhrstraße ein. Beide kamen in Kontakt. Der Angeklagte bezeichnete das Verhältnis zu seinem Nachbarn als gut. Er sei nett gewesen, habe ihm geholfen. In den Wochen und Monaten vor der Tat will der Angeklagte angeblich Stimmen gehört haben. Der Angeklagte hatte früher Drogen genommen. Wenige Stunden vor der Tat wollte er sich angeblich mit einem Handykabel das Leben nehmen.
Der Prozess wird fortgesetzt.
Audio:
Reporter Knut-Michael Kunoth im Gespräch mit dem Opfer