Dreimal Glück für Görlitz
In der Lausitz wird an das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa erinnert. Auf Soldatenfriedhöfen und an Mahnmalen werden Kränze niedergelegt. Wie war das damals vor 76 Jahren? In den Wochen vor dem 8. Mai 1945 tobten erbitterte Kämpfe in der Lausitz. Im Februar klinkten alliierte Bomber ihre todbringende Last über Cottbus aus. Große Teile von Spremberg, Rothenburg und Niesky wurden zerstört. Dagegen blieb Görlitz von einer flächenmäßigen Zerstörung verschont. Die Stadt hatte Glück. Dreimal Glück!
Görlitz wurde in den letzten Kriegswochen beschossen. Russische Artillerie feuerte. 31 Wohnhäuser wurden zerstört, weitere 80 schwer beschädigt. Vereinzelt gab es Luftangriffe. Acht Menschen starben, 26 wurden verletzt, weiß Ratsarchivar Siegfried Hoche zu berichten. Doch Görlitz hatte Glück. Die Stadt wurde nicht in Schutt und Asche gelegt. Dabei stand sie auf den Karten der westlichen Bomberverbände – als kriegswichtiges Ziel. Rüstungsteile wurden in Görlitz produziert. „Meyer-Optik stellte optische Systeme für U-Boote und Panzer her“, nennt Hoche als ein Beispiel.
Görlitz war außerdem Verkehrsknotenpunkt. Weshalb aber die Stadt verschont blieb, kann nur gemutmaßt werden. Belegbare Quellen gebe es nicht. „Als die Alliierten weiter vorrückten, war Görlitz dennoch weit weg von der Westfront. Die Russen kamen wiederum immer näher an die Neiße. Sie wären nicht begeistert gewesen, wenn Industriebetriebe wie der Waggonbau zerstört worden wären, spekuliert Hoche mit Blick auf spätere Reparationszahlungen.
Der zweite Glücksfall für Görlitz: Die Rote Armee ließ die Stadt buchstäblich links liegen. Marschall Konews Armee wurde in Lauban aufgehalten. Die 25 Kilometer östlich von Görlitz gelegene Kleinstadt war im März 1945 von der Wehrmacht zurückerobert worden. Die Operation “Gemse„ brachte den Zeitplan von Konew durcheinander. “Er hoffte immer noch, Berlin erobern zu können. Konew und Marschall Schukow waren in gewisser Weise Konkurrenten. Jeder wollte zuerst in Berlin sein. Auch Schukow hatte Probleme, und zwar an den Seelower Höhen.„ Stalin soll angesichts dieser Lage Konew grünes Licht gegeben haben, in Richtung Norden einzuschwenken.
So stießen die Russen erst in Rothenburg über die Neiße. In Görlitz marschierten sie in der der Nacht zum 8. Mai ein. Zuvor hatte die Wehrmacht alle Neißebrücken in die Luft gejagt. Gesprengt werden sollten auch die Türme der Stadt. Dazu kam es aber nicht. Bevor die Rote Armee Görlitz einnahm, kreisten Aufklärer über der Stadt. Sie sahen viele weiße Fahnen und nur wenige Soldaten. So wurde nicht mit schweren Kalibern auf Görlitz geschossen. “Einige Flieger warfen Bomben über dem Bahnhofsbereich ab. Es kam aber nicht zu den Zerstörungen, wie zum Beispiel in Lauban.„
Görlitz hat zum dritten Mal Glück. Die Stadt blieb mit ihren über 4.000 Bau- und Kulturdenkmalen erhalten – als größtes zusammenhängendes Flächendenkmal in Deutschland.

