Einwohnerversammlung in der ehemaligen Flachsspinnerei in Hirschfelde. Beigeordneter Thomas Gampe (an der zweiten Säule) informiert über das Asylbewerberheim
Protest vor der alten Flachsspinnerei in Hirschfelde: Nein zum Heim.
Erster Bürgermeister der Lausitz sagt offen Nein zu Asylbewerberheim
Mehr als 600 Menschen haben am Abend gegen das geplante Asylbewerberheim im Zittauer Ortsteil Hirschfelde protestiert. Sie stellten sich vor der ehemaligen Flachsspinnerei auf. Dort sollen ab Juli bis zu 150 Asylbewerber aus Syrien, Afghanistan und dem Irak einquartiert werden. Das ist der Plan des Landratsamtes. In einer anschließenden Einwohnerversammlung informierte Beigeordneter Thomas Gampe über die Wiederinbetriebnahme der Unterkunft. Er warb um Verständnis. "Wir wissen, dass es viele Bedenken gibt, die wir auch nachvollziehen können und ernst nehmen." Auch räumte er Informationsdefizite ein. Dabei wurde er immer wieder von erbosten Bürgern unterbrochen. Sie brachten laut stark ihren Unmut zum Ausdruck und skandierten „Nein zum Heim“.
Ein ehemaliger Bürgermeister warf dem Landratsamt Taktik vor. Die Einwohner seien bewusst nicht früher informiert worden. Sie hätten die Pläne zuerst aus den Medien erfahren. Eine Mutter trat vor. Sie habe gehört, dass nur junge Männer kämen. Sie äußerte ihre Angst und fragte: „Wollen Sie, dass meinem Kind etwas passiert?“ Gampe versprach, dass nicht nur junge Migranten einziehen werden, sondern auch Familien. Auch soll die volle Kapazität möglichst nicht ausgeschöpft werden. Die Asylbewerber sollen nicht auf Dauer in Hirschfelde bleiben. Der Landkreis verfolge weiter die Strategie der dezentralen Unterbringung, also in Wohnung. Derzeit seien aber die Kapazitäten nahezu erschöpft. Im Kreis Görlitz leben inzwischen rund 1.600 Asylbewerber. „Wir haben die gesetzliche Pflicht, die Menschen unterzubringen“, so Gampe.
Eine Frau wollte wissen, weshalb in Görlitz, der größten Stadt im Kreis, kein Heim eröffnet wird. Dort habe der Landkreis keine entsprechenden Immobilien, so Gampe. Was sei mit der Versorgung? Es gebe doch nur einen Einkaufsmarkt im Ort, so eine andere Stimme aus dem Publikum. Die Schwimmhalle sei geschlossen. „Was sollen die Asylbewerber den ganzen Tag machen?“ Auf die Antwort, dass es die Hauptaufgabe sei, die Flüchtlinge zu integrieren, erntete Ordnungsamtschef Falk-Werner Orgus Gelächter.
In den kommenden Wochen soll ein Betreiber für das Heim gefunden werden. Das Landratsamt will gemeinsam mit ihm, der Stadtverwaltung Zittau und der Polizei ein Sicherheitskonzept erarbeiten.
Der langjährige ehrenamtliche Ortsbürgermeister Bernd Müller trat ans Mikrofon: „Hier läuft etwas aus dem Ruder!“ Die Veranstaltung sei schlecht vorbereitet worden, kritisierte er. Die Verantwortung liege beim Land, das sich nicht gegen den Bund wehre. „Man hat uns die Sparkasse weggenommen, wir haben keine Post mehr, die Schwimmhalle soll zugemacht werden. Schauen Sie sich den maroden Markt an. Uns wird alles gestrichen“, klagte er an. Die einzige Ärztin im Ort sei überfordert. Er warnte vor Gewaltattacken gegen die Asylbewerber. „Meine Zustimmung gibt es für dieses Heim nicht“. Beifall. Der Ordnungsamtsleiter versprach, dass die ärztliche Versorgung der Einwohner nicht eingeschränkt werde. Vorstellbar sei eine medizinische Station im Heim oder die Behandlungen an anderen Orten im Landkreis.
Schließlich drängte ein Bewohner: „Wir beenden das Ganze.“ Und zum Beigeordneten des Landratsamtes gewandt: „ Bringen sie das nächste Mal Leute mit, die etwas zu sagen haben.“ Einwohner von Hirschfelde wollen am kommenden Donnerstag erneut gegen das Heim protestieren, und zwar vor dem Stadtrat in Zittau.
Audio:
Stimmen von Einwohnern
Reporter Knut-Michael Kunoth im Gespräch mit Ortsbürgermeister Bernd Müller
Die Stimmung in der Einwohnerversammlung war aufgeheizt...